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„Wir haben nun ein Alleinstellungsmerkmal“

Von Stefan Kleefisch
Timo Westendorf, der neue Leiter des Leistungszentrums der Fortuna, im Interview zu den jüngsten Erfolgen der Nachwuchsteams.

Das vergangene Wochenende brachte die endgültige Gewissheit: Auf einem außerordentlichen Verbandstag beschloss der Westdeutsche Fußballverband (WDFV) den Abbruch der Saison 2019/2020. Eine große Mehrheit war dafür, die noch ausstehenden Spiele im Jugend- und Seniorenbereich nicht mehr auszutragen. Die Delegierten sprachen sich bei den digitalen Versammlungen zudem mehrheitlich dafür aus, die Aufsteiger gemäß Quotientenregelung zu ermitteln. Im Seniorenbereich wird es einen Aufsteiger pro Staffel geben, im Jugendbereich kommen die in den Durchführungsbestimmungen geregelten Aufstiegsregelungen zur Geltung. Absteiger wird es keine geben. Einzige Ausnahme: Der Bitburger-Pokal der Herren und der FVM-Pokal der Frauen werden zu Ende geführt. Dies hat für den S.C. Fortuna Köln geradezu historische Ausmaße. In der nächsten Spielzeit ist der Südstadtklub von der U15 bis zur U23 jeweils in der höchst möglichen Spielklasse vertreten. Ein Novum. Eine außergewöhnliche Leistung. Timo Westendorf, der neue Leiter des Leistungszentrums der Fortuna, äußert sich zu diesem großartigen Erfolg im ausführlichen Interview.

Timo, wie eingangs erwähnt, spielt die Fortuna künftig mit der U23 in der Mittelrheinliga, mit der U19 und der U17 in der Bundesliga, mit der U16 in der U17-Mittelrheinliga und mit der U15 in der Regionalliga. Besser geht es nicht...

„Man muss es ein wenig relativieren. Die U15 und die U23 befanden sich im Abstiegskampf. Dennoch zeigt der Aufstieg der U19, U17 und U16, dass wir nicht so schlecht gearbeitet haben. In dem Zusammenhang möchte ich mich auch bei meinem Vorgänger Raimunt Zieler bedanken. Wir haben nun ein Alleinstellungsmerkmal im Kölner Raum und in der Region Mittelrhein. Ich klammere die NLZ-Teams des FC oder von Bayer Leverkusen mal aus. Alemannia Aachen hat keine U23. Viktoria Köln meldet die zweite Mannschaft sogar ab und ist mit der B-Jugend nicht aufgestiegen. Das hebt uns deutlich von der Masse ab.“

Dieser Erfolg glänzt umso mehr, wenn man die mangelhafte Infrastruktur des Vereins sieht. Ein kleiner Seitenhieb sei in dem Moment erlaubt. Der größte Verein der Stadt erweitert sein Gelände bald um weitere drei Kunstrasenplätze. Die Fortuna hat mit 26 Mannschaften einen älteren Kunstrasenplatz und einen Ascheplatz, das war es. Schaut man da ein wenig neidisch zum Geißbockheim rüber?

„Generell sind die Rahmenbedingungen jedem bekannt, der hier arbeitet. Wir machen vieles wett mit Herzblut, Leidenschaft und der unbedingten Bereitschaft für die Sache einzustehen. Das verkörpern unsere Spieler und Trainer. Den Nachteil in der Infrastruktur gleichen wir mit einer besonderen Mentalität, dem Zusammenhalt in den Mannschaften und über gut ausgebildete Spieler wieder aus. Natürlich wäre es für unsere Teams auch mal schön, wenn sie auf dem ganzen Feld trainieren könnten. Mitunter teilen sich vier, fünf Mannschaften ein Feld. Da herrscht dann ganz schön Trubel.“

Man kann unwidersprochen behaupten, dass die Fortuna für Nachwuchsfußballer eine sehr gute Adresse ist. Und Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit wie Nico Ochojski, Felix Neuhäuser, Jean Marie Nadjombe (alle U19), Serhat Güler, Kai Försterling oder Michael Gorbunow (alle U23), die im Kader der ersten Mannschaft waren beziehungsweise sind, belegen dies…

„Definitiv. Die Verzahnung ist sehr gut. Wir haben einen Weg entwickelt, in dem man mit weniger Geld und weniger Ressourcen trotzdem vernünftig arbeiten und einem Spieler eine Perspektive aufzeigen kann. Bei uns kann er den nächsten Schritt machen. Nico ist dafür ein Paradebeispiel, er hat sich in seinem zweiten Seniorenjahr in der Regionalliga durchgesetzt und ist auf eine große Anzahl an Spielen gekommen. Güler und Gorbunow spielen nächste Saison in der Regionalliga Nordost. Kai Burger hatte einen Einsatz in der 3. Liga und er wurde im FVM-Pokalfinale eingesetzt. Es gibt unzählige Beispiele. Ich habe das ja selber zweieinhalb Jahre unter Uwe Koschinat miterlebt, wieviele Spieler aus dem eigenen Nachwuchs ins Training integriert wurden und ihre Chance bekamen. Dieser Austausch wird weiter intensiviert werden. Alem Koljic hat damals als A-Jugendspieler ein halbes Dutzend Spiele in der 3. Liga gemacht. Wir waren gerettet und Uwe hat ihn einfach mal ins kalte Wasser geschmissen. Es geht aber nicht darum, einfach mal einen mitzunehmen, sondern wir wollen noch mehr Qualität nach oben bringen.“

Manche Vereine verzichten auf eine U23. Die Fortuna hat ihre Reserve in sechs Jahren von der Kreisliga B in die Mittelrheinliga geführt. Wie siehst Du speziell diese Mannschaft?

„Für uns ist die U23 ein wichtiger Bestandteil des Leistungszentrums. Es ist eine Ausbildungsmannschaft. Hier können wir Spielern eine weitere Chance geben und die Zeit, sich zu entwickeln und das auf höchstem Amateur-Niveau in Deutschland. Wenn du in deinem ersten Seniorenjahr in der Oberliga auf 20 Spiele kommst, ist das auch nicht so schlecht. Die Wertigkeit und der Stellenwert der U23 wird noch zu gering eingeschätzt. Als Co-Trainer des letzten Jahres habe ich vielleicht auch nochmal einen anderen Blick da drauf. Wenn du die U23 abmeldest, musst du dir die Frage stellen, was mache ich mit den Spielern aus dem alten Jahrgang U19. Es ist vermessen zu sagen, die sind alle direkt so gut, dass die bei uns in die erste Mannschaft reinkommen können. Ich glaube, dass in so einer Mannschaft unheimlich viel Potenzial steckt mit einer vernünftigen Verzahnung.“

Du bist selber als Trainer mit der U17 in die Bundesliga aufgestiegen. Das hat noch keiner bei der Fortuna geschafft...

„Das erfüllt mich schon mit Stolz, vor allem wenn man die Begleitumstände sieht. Wir haben Leistungsträger verloren, der Mannschaft vor der Saison ein komplett neues Gesicht gegeben. Am Ende des Tages sind wir verdient auf dem Aufstiegsplatz. Wir haben viele Spiele gedreht, es gab viele Momente, in denen ich dachte, da kann was entstehen. Ich hatte einen sehr kleinen Kader von 14, 15 Spielern, eine homogene Truppe. Wir sind komplett über den Teamgedanken gekommen. Nach dem Spiel gegen Deutz hatte beispielsweise ein Stammspieler einen Kreuzbandriss, aber wir haben den Widerständen immer wieder getrotzt. In der Rückrunde haben wir gegen Bonn 1:0 geführt, zur Pause lagen wir 1:3 hinten, am Ende haben wir 4:3 gewonnen.“

Nun stellen so viele Mannschaften in der jeweils höchsten Klasse sportlich und organisatorisch sicher eine Mammutaufgabe für den Verein dar. Lass uns mal ein wenig hinter die Kulissen blicken…

„Die größte Herausforderung ist, dass wir wohl nicht alle Spiele auf der heimischen Anlage austragen können. Da ist Improvisationstalent gefragt. Die U19 und die U17 müssen in der Bundesliga auf Rasen spielen. Der DFB stellt hohe Ansprüche, die du erfüllen musst. Das ist nochmal eine ganz andere Welt. Wir haben aber als Verein Bock auf die Sache. Für die Trainer ist das ein geiles Erlebnis, sich dort mit anderen messen zu können. Wir haben bewusst nicht alles über den Haufen geschmissen und überall neue Spieler geholt. Wir geben unseren Talenten die Chance, das sieht man in den Kadern. Den eingeschlagenen Weg sollten wir aber auch jetzt bei den ersten Widerständen beibehalten. Kontinuität ist die Zielsetzung.“

Was erwartest Du abschließend gefragt in sportlicher Hinsicht von den Teams des LZ?

„Es wird mehr Absteiger geben. Ich glaube, dass es vier sein werden, somit ist ein Platz mehr in der Verlosung. Wir sollten nicht vergessen, dass es um eine vernünftige Ausbildung geht. Also vor allem um das Durchlässigkeitsprinzip. Wieviele Spieler haben wir am Ende hochgebracht und wieviele sind den Schritt in die nächste Mannschaft gegangen? Das ist unheimlich wichtig. Natürlich wehrt sich niemand im Verein dagegen, wenn wir in der Saison 21/22 in den gleichen Ligen vertreten sind. Das ist aber kein Muss.  

 

 

  

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